


Sandra
WEISHEIT
Für mich ist Weisheit die Fähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen und das Leben mit Verständnis und einem klaren Blick für das Wesentliche zu betrachten. Es ist für mich tiefer und weiter als reines Wissen.
WERTSCHÄTZUNG
Für mich ist Wertschätzung das Anerkennen und Respektieren der Menschen genau so wie sie sind, um ihnen zu zeigen, wie wichtig sie sind.
WÜRDE
Für mich ist Würde der Respekt, den jeder Mensch verdient, einfach weil er ein Mensch ist. Sie zeigt sich in der Art, wie man sich selbst und andere behandelt.
Meine Geschichte
Meine Heldenreise beginnt in der Schule ich war ein Mädchen, zierlich, dünn mit Kleidung meiner Cousine. Ich komme aus einem Dorf und hab schnell gemerkt, alle reden über mich bzw. eher über meine Familie. Mein Vater war Alkoholiker, also immer schön unscheinbar bleiben, nur nicht auffallen, nicht in den Vordergrund treten. Meinen Freunden alles recht machen…
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In der Schule war ich schon immer schlecht, das Lernen viel mir schwer und ich war immer die Letzte, die im Sportunterricht aufgerufen wurde. Ich konnte nicht mithalten, ich hatte immer das Gefühl, ich bin in allem schlecht, ich kann nichts und alle redeten über uns. Mit Ach und Krach schaffte ich die Realschule, aber ich hatte die ganze Zeit über ein Ziel vor Augen: Ich möchte mit Menschen mit Behinderung arbeiten und bin deswegen auch mit 17 Jahren ausgezogen. Nach meinem Praktikumsjahr ging ich nach Rummelsberg, um Diakonin zu werden. Theologie war schwierig, doch auch das schaffte ich mit Ach und Krach!
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Gefühlt musste ich immer kämpfen: Nicht gegen Mobbing, Freunde hatte ich immer genug und auch sehr gute, die ich mittlerweile als Lebensbegleiter sehe. Meine beste Freundin starb bei einem Autounfall, als ich Anfang 20 war - kurz vor Weihnachten (am 14.12., das Datum ist für mich sehr wichtig, denn gefühlt habe ich an dem Datum ein paar Jahre später das Leben neu geschenkt bekommen).
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Nach meiner Ausbildung wurde es ruhiger, ich lernte meinen Mann kennen und bekam einen Sohn, der durch eine Einleitung und einen Notkaiserschnitt geholt werden musste. Bis dahin bestand mein Leben immer aus: Ich passe mich an, ich falle nicht auf, ich kann nicht, und wenn etwas schief geht, dann bei mir, warum immer ich. Warum kann bei mir nicht mal etwas klappen, normal sein, Alltag sein?
Im Dezember 2018 und in den letzten vier Jahre kam dann die Wende: Abends lief ich heim (am 13.12.), als mir ein Mann entgegenkam und mich einfach mit einem Messer niederstach. Am 14.12. erwachte ich auf der Intensivstation. Ich lebe, das ist ein großes Glück, es war sehr knapp!
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Doch ich habe die Kraft gehabt, zu überleben, ich habe die Kraft gehabt, dem Prozess gegen den Täter beizuwohnen, und ich habe die Kraft gehabt, mich dem Trauma zu stellen, die Kraft, ein zweites Kind zu bekommen und die Kraft, weiterzumachen. Und es war die erste Zeit, in der ich ins „Rampenlicht“ gegangen bin: Ich besuchte jeden Tag des Prozesses, und der Prozess war öffentlich. Ich habe ein Interview gegeben und ich war in Schulen für angehende Erzieher, um darüber zu reden, auch dahingehend, was sich Opfer wünschen.
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Ich wische die Tränen (wie meine Oma weg) und bin dankbar, dass ich Leben darf. Immer wieder begleiten mich die Sätze: ich kann nichts, ich bin nicht gut (wie in der Schule), immer wieder begleiten mich die Gedanken: nur nicht auffallen. Doch dann denke ich: Nein, ich habe so viel geschafft, das Leben ist so schön, und jeder kann so viel schaffen. Und ich bin gut darin, schwierige Situationen zu meistern und meinen Weg weiterzugehen!
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Und genau das will ich meinen Kindern und den Kindern in meinen Kursen mitgeben: Schaut auf eure Bedürfnisse, ihr müsst euch nicht verstecken, traut euch so zu sein, wie ihr seid, in jedem von euch steckt die Kraft, sich ein schönes Leben zu machen. Klar mit Steinen auf dem Weg, und der Weg ist nicht immer eben und leicht - aber ihr schafft es, die Steine wegzuräumen, ihr dürft neugierig sein, neugierig, was sich daraus ergibt, wenn man voller Kraft den Stein weggerollt hat!
